Luxemburger Wort – „Wir müssen uns Themen widmen, die vielleicht sehr schlimm sind“

30 janvier 2024

Jan Morawski Redakteur beim Luxemburger Wort
Die luxemburgische Antidoping-Agentur soll sich künftig auch um Missbrauch, Gewalt und Korruption im Sport kümmern. Der neue Direktor Loïc Hoscheit sieht viel Nachholbedarf.

Die Agence Luxembourgeoise Antidopage hat einen neuen Direktor. Loïc Hoscheit soll die Behörde ordentlich umkrempeln. Denn künftig ist die ALAD nicht nur für Doping-Kontrollen zuständig, sondern kümmert sich auch um ethische Probleme in der Luxemburger Sportwelt. Was das genau bedeutet und wie diese Mission gelingen soll, verrät der 33-Jährige im Interview.

Loïc Hoscheit, wieso sind Sie der richtige Mann für die neue ALAD?

Weil mich der Leistungssport begeistert. Ich kann mir jede Sportart anschauen und möchte mich damit auseinandersetzen. Ich finde überall einen Anhaltspunkt. Außerdem entspricht die Stelle dem, was ich machen will. Sie passt zu meinen Erfahrungen. Deswegen war meine Bewerbung die logische Schlussfolgerung. Es ist eine ganz spannende Aufgabe.

Das Themenfeld rund um Ethik im Sport ist wichtig, aber auch ein ganz heißes Eisen…

Wir sind den Sportlerinnen und Sportlern in Luxemburg verpflichtet, uns endlich intensiv mit diesem Thema zu befassen. In den vergangenen Jahren hat man das vor allem im Ausland mitverfolgt, da gab es immer wieder Skandale. Beispielsweise mit Kindern, denen man in der Vergangenheit keinen sicheren Rahmen geboten hat. Und auch in Luxemburg gehen wir natürlich nicht von einem weißen Blatt aus.

Was fällt alles unter den Begriff Ethik?

Das ist der Oberbegriff, der zwei Seiten hat. Die eine ist Safeguarding. Dabei geht es vor allem um den Schutz von Kindern. Das reicht von sexuellem, physischem oder psychischem Missbrauch bis hin zu Mobbing sowie Cybermobbing. Dieser Bereich betrifft aber beispielsweise auch Frauen oder Schiedsrichter. Man muss zuhören und beschützen. Die andere Seite ist Integrität. Da geht es vor allem um finanzielle Themen, also zum Beispiel Korruption, Manipulation oder illegale Sportwetten.

Wie groß sind die ethischen Probleme im Luxemburger Sport?

Leider gibt es in Luxemburg noch keine Studien zu dem Thema. Ich weiß also nicht, wie viele Kinder beispielsweise von Gewalt oder Missbrauch betroffen sind. Da tappen wir im Dunkeln. Aber diese Sache müssen wir angehen. Der Schutz der Kinder hat oberste Priorität. Deswegen ist einer der allerersten Schritte, bevor es konkrete Maßnahmen gibt: Wir wollen herausfinden, welche Probleme wir im Land haben. Allerdings gibt es keinen Grund, anzunehmen, warum es in Luxemburg anders sein sollte als im Ausland.

Wie finden Sie heraus, wo die Probleme liegen?

Es gibt mehrere Lösungsansätze, allerdings haben wir noch keine Entscheidung getroffen, wie wir das konkret angehen wollen. Das hängt davon ab, welchen Zeitraum wir uns geben, aber auch, welchen finanziellen Rahmen wir haben. Wir wollen beispielsweise Sportler und Verbände befragen.

Was wäre der nächste Schritt?

Es soll eine zentrale Anlaufstelle für Menschen geben, die im Sportbereich mit Missbrauch, Gewalt oder Korruption in Berührung kommen. Etwa eine Telefonnummer und eine Internetseite. Dort können sich Menschen anonym melden, wenn etwas passiert ist oder sie etwas gesehen haben.

Glauben Sie, dass diese Angebote von Betroffenen gut angenommen werden oder dass es aus verschiedenen Gründen Zurückhaltung gibt?

Ich fürchte, dass es leider sehr gut funktionieren wird. Wenn wir das ordentlich kommunizieren und aufstellen, wenn wir Anonymität garantieren können, dann werden ganz schnell Meldungen reinkommen. Ich sage „leider“, weil das heißt, dass es Probleme gibt. Aus einem anderen Blickwinkel ist das aber gut, weil es bedeutet, dass wir diese Dinge aufarbeiten können. Wir müssen uns Themen widmen, die vielleicht sehr schlimm sind. Man muss die Leute gut umgeben, mitnehmen und sie beschützen.

Was passiert danach mit den Verursachern oder Tätern?

Den Umgang mit denjenigen, die sich nicht korrekt verhalten oder sogar strafbar gemacht haben, müssen wir uns noch überlegen. Da müssen wir uns auch mit der rechtlichen Lage in Luxemburg auseinandersetzen. Die Frage ist, was in diesem Bereich von der ALAD erwartet wird.

Warum ist dieses Thema bei der ALAD gut aufgehoben?

Wir haben eine sehr gute Basis. Und es gibt hier im Land Menschen, die in diesem Themenbereich qualifiziert sind. Sportpsychologen und Psychiater haben sich bereits jahrelang damit befasst. Es gibt Arbeitsgruppen und Meetings, auch einzelne Hotlines existieren bereits. Wir wollen diese Experten nicht ersetzen, sondern mit ihnen zusammenarbeiten. Ich habe die Protokolle gelesen, da wurden in der Vergangenheit schon gute Ideen entwickelt. Das alles lasse ich in eine Strategie einfließen. Die ALAD schaut sich das alles also nicht alleine an. Meine Rolle ist, diese ganzen Kompetenzbereiche zusammenzubringen.

Wie wird dieses Vorhaben finanziert?

Das ist der Knackpunkt. Wir brauchen definitiv mehr Ressourcen. Das gilt auch für das Personal. Im Moment sind nur vier Personen bei der ALAD eingestellt, inklusive mir. Das reicht für die Zukunft auf keinen Fall, wenn wir unsere Aufgaben erfüllen sollen. Allein beim Thema Antidoping reicht es nur ganz knapp. Wir werden weiterhin mit externen Experten arbeiten, aber wir müssen auch neue Leute einstellen. Beispielsweise haben wir nach dem Abschied von Dr. Anik Sax keinen eigenen Arzt mehr. Diesen finanziellen Bedarf haben wir ganz klar kommuniziert.

Was sagt der neue Sportminister Georges Mischo dazu?

Wir haben uns sehr kurzfristig getroffen und die Zahlen besprochen. Das Gespräch war positiv und gut. Jetzt warten wir auf eine Rückmeldung. Die soll Anfang Februar kommen. Konkret brauchen wir für die Antidoping-Arbeit direkt mehr Mittel. Und ab nächstem Jahr dann, wenn die Ethik-Aufgaben gestemmt werden sollen, eine wesentliche Erhöhung des Budgets. Positiv ist aber, dass der politische Wille besteht, diesen schwierigen Weg einzuschlagen und sich dem Thema Ethik im Sport anzunehmen.

Von welchen Nachbarländern können Sie sich etwas abschauen?

Die Schweiz hat in ihre reine Antidoping-Abteilung die Ethikthemen integriert. Das ist in Finnland nicht anders. Mit diesen Ländern haben wir schon Gespräche geführt. Auch in Frankreich sieht man, dass sich in diese Richtung etwas tut. Da gibt es einen Ausschuss, der sich darüber berät, wie man Ethikverstöße künftig vermeiden kann. Dabei sind kleinere Länder für uns strukturell vergleichbarer.

Eine Antidoping-Agentur ist die ALAD weiterhin. Welche Vorstellungen haben Sie in diesem Bereich?

Auch mit diesem Thema müssen wir uns in Zukunft intensiver beschäftigen. Die Zahl der Elitesportler in Luxemburg steigt stetig an. Und wenn wir sie alle kontrollieren sollen, brauchen wir auch die finanziellen Mittel dafür. Alles professionalisiert sich, deshalb muss das bei uns auch passieren. Wir arbeiten nicht gegen die Athleten, sondern für sie. Damit sie beweisen können, dass sie clean sind und auch ihren Konkurrenten vertrauen können.